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Der Staat Israel – Ein Überblick



Einleitung

Israel ist trotz seiner vergleichsweise kleinen Fläche, welche ungefähr derjenigen des deutschen Bundeslands Hessen entspricht, vielen Menschen bekannt. International wird Israel viel beachtet, und das nicht nur wegen des israelisch-palästinensischen Konfliktes. Der Staat Israel fasziniert und bewegt die unterschiedlichsten Menschen durch seine Geschichte, die große religiöse Bedeutung für Christ*innen, Muslim*innen sowie Jüdinnen und Juden, aber auch seine Errungenschaften im Bereich Wissenschaft und Forschung; wie beispielsweise moderner Medizin, IT-Entwicklung und Wüstenforschung. Neben der beeindruckenden Natur wird dabei auch das kontrastreiche Klima, geographisch wie gesellschaftlich, immer wieder hervorgehoben; beispielsweise bezogen auf die vielen gelebten Kulturen, Religionen und Sprachen aber auch der Liberalität gegenüber LGBTIQ+ Personen. Vieles an der Entstehungsgeschichte und Gesellschaft Israels macht diesen Staat einzigartig; angesichts der seit Staatsgründung stattfindenden Anfeindungen und Aggressionen gegenüber Israel, ist es erstaunlich, dass dieser schon seit über 70 Jahre existiert.

Die Wissenschaftler*innen Prof. Dr. Monika Schwarz-Friesel und Prof. Dr. Jehuda Reinharz bezeichnen Israel als das weltweit „wichtigste und prägnanteste Symbol für jüdisches Leben und Überleben“ 1 nach der Shoah (hebr. für „Katastrophe“), der Vernichtung von 6 Mio. Menschen als Juden durch die Nationalsozialist*innen und ihre Unterstützer*innen. Israel ist der einzige Staat weltweit, in dem Jüdinnen und Juden eine Mehrheit in der Bevölkerung bilden, gleichzeitig lebt in Israel auch die größte jüdische Gemeinschaft weltweit (6 Mio. Personen, weltweit gibt es ca. 15 Mio. Jüdinnen und Juden). Auch deswegen hat das Land für viele Jüdinnen und Juden eine besondere Bedeutung.

Der Staat Israel liegt im Nahen Osten auf dem asiatischen Kontinent, ca. vier Flugstunden von der Bundesrepublik entfernt. Er grenzt an das Mittelmeer und das Rote Meer sowie an die arabischen Staaten Ägypten, Jordanien, Syrien und Libanon. Durch den jahrzehntelang andauernden Nahostkonflikt verfügt Israel jedoch nur teilweise über international anerkannte Grenzen. Auf der Ebene internationaler Organisationen und Verbände wird Israel zumeist Europa zugeordnet und ist Teil der OECD.

Trotz seiner geringen Größe verfügt Israel verhältnismäßig über die größte Zahl an internationalen Medienkorrespondent*innen. 2 Ein Grund hierfür ist, dass Israel vermehrt Gegenstand heftiger politischer Debatten ist (s.u.). Weil der Staat Israel von außen mitunter als jüdisches Kollektiv wahrgenommen wird, zeigt sich gegenwärtig Antisemitismus oftmals in Form von Angriffen auf Israel, das so zum „Juden unter den Staaten“ (Leon Poliakov) gemacht und in der Folge aus der Staatengemeinschaft ausgegrenzt wird.

Kulturell und politisch orientiert sich die israelische Gesellschaft an demokratischen sowie liberalen Werten, insbesondere an den Vereinigten Staaten von Amerika. In Europa gilt die Bundesrepublik Deutschland als wichtigste politische Partnerin Israels, auch wenn nicht in allen Bereichen Einigkeit besteht. Viele Israelis haben ein großes Interesse an der Geschichte und aktuellen politischen Entwicklung Europas, darunter auch der Bundesrepublik. Insbesondere Berlin stellt für junge Israelis einen Sehnsuchtsort dar. Schätzungen zufolge lebten im Jahr 2018 zwischen 15.000 und 30.000 Israelis in Berlin.

Vorgeschichte: Von der Frühgeschichte bis zur zionistischen Bewegung

Seit mehr als 3000 Jahren siedeln Jüdinnen und Juden ununterbrochen im Gebiet des heutigen Israels. Eretz Israel (dt. Land Israels) war dabei immer auch sowohl historisches Siedlungsgebiet, jüdisches Kernland wie auch das verheißene oder gelobte Land vieler Jüdinnen und Juden, die in der Diaspora lebten. Ende des 19. Jahrhunderts entstand aus der Gründungsidee eines jüdischen Staates eine ganze Bewegung: der Zionismus. Der moderne Staat Israel wurde schließlich 1948 gegründet.

Während in der Thora von der Landnahme durch die Israeliten berichtet wird, vertreten Archäolog*innenen und Historiker*innen mittlerweile mehrheitlich die Theorie, dass sich das Volk Israel aus verschiedenen kleineren Gruppen auf dem Gebiet des heutigen Israel gebildet hat.

In der Antike befand sich der jüdische Tempel in Jerusalem auf dem Berg Zion. Diese Bezeichnung übertrug sich auf den Standort Zion als solchen, wovon sich die Bewegung Zionismus ableiten lässt. Der erste, sogenannte salomonische Tempel, wurde nach der Eroberung Jerusalems durch die Neubabylonier*innen zerstört. Nach Ende des babylonischen Exils, in das ein Teil der Jüdinnen und Juden gezwungen worden war, wurde der Tempel wiederaufgebaut. Dieser zweite Tempel wurde im Jahre 70 n.d.Z. (= nach der Zeitenwende) durch die Römer*innen zerstört. Als Bezeichnung für das geografische Gebiet wurde durch die römische Besatzung die Bezeichnung Palästina eingeführt. Die meisten Jüdinnen und Juden wurden anschließend aus Israel vertrieben und lebten von nun an im Exil in verschiedenen Ländern, ab diesem Zeitpunkt wird von einer sogenannten Diaspora gesprochen. Einige Jüdinnen und Juden lebten jedoch auch weiterhin ununterbrochen auf dem Gebiet des heutigen Israels. Jerusalem ist für die meisten Jüdinnen und Juden nach wie vor ein spiritueller Bezugspunkt geblieben.

Die Sehnsucht nach einer Rückkehr drückt sich in vielen Gebeten aus: am jüdischen Feiertag Pessach beispielsweise wird in der Diaspora der Wunsch geäußert, ihn „nächstes Jahr in Jerusalem“ zu feiern. Bei jüdischen traditionellen Hochzeiten wird ein Glas zerbrochen – als Symbol für die Zerstörung des Tempels. In den Jahrhunderten der Diaspora zogen auch tatsächlich immer wieder Jüdinnen und Juden nach Jerusalem (Alija) und in das historisch jüdische Kernland. Ab dem Jahre 1882 gab es dann auch eine nennenswerte jüdische Einwanderung, meistens aus dem zaristischen Russland und Osteuropa, als Folge blutiger Pogrome in die Region Palästina, in der Jerusalem unter damaliger Bezeichnung gelegen hat. Bereits vor der israelischen Staatsgründung 1948 baute die jüdische Gemeinschaft staatsähnliche Strukturen (Yishuv) in Palästina auf: So wurde eine politische Führung gewählt und Milizen zur Verteidigung gebildet (aus denen später die israelische Armee entstand). Da die zionistische Bewegung teils sehr explizit nicht religiös gewesen ist, erklärt sich hieraus der säkuläre Charakter der Strukturierung. 1918 wurde die Hebräische Universität in Jerusalem gegründet, 1909 die Stadt Tel Aviv, die heute neben Jerusalem die bedeutendste Stadt in Israel ist.

Eine besondere Bedeutung für die Geschichte der Gründungsidee eines jüdischen Staates in Eretz Israel, einem Teil des damaligen britischen Mandatsgebiets Palästina, kommt dem österreichisch-ungarischen Schriftsteller Theodor Herzl (1860-1904) zu. Dieser veröffentlichte 1896 sein Buch Der Judenstaat. Er fordert darin einen eigenen Staat für Jüdinnen und Juden, um nicht mehr der willkürlichen Diskriminierung und dem Morden ausgesetzt zu sein, die sie als Minderheit in der Diaspora bereits seit Jahrhunderten erlebten. Auch vor dem Hintergrund von Aufklärung und Modernisierung in einigen Staaten und trotz des Strebens nach Assimilation vieler Jüdinnen und Juden existierte der Antisemitismus der Mehrheitsgesellschaften fort und nahm sogar noch an Bedrohlichkeit zu.

Bereits kurz nach Herzls Publikation entstand unter Jüdinnen und Juden in der Diaspora die länderübergreifende zionistische Bewegung zur Gründung eines jüdischen Staates. Sie griff hierfür auf diplomatische Initiativen zurück, um internationale Unterstützung zu gewinnen. Ferner sammelte die Bewegung Gelder, um im britischen Mandatsgebiet Palästina Land zum Besiedeln zu kaufen. 1917 erreichte die Bewegung einen Erfolg: Die britische Regierung, die die Region Palästina nach dem Ersten Weltkrieg als Siegermacht und später als durch den Völkerbund legitimierte Mandatsmacht kontrollierte, unterstützte durch die Balfour-Erklärung offiziell die Errichtung einer jüdischen Heimstätte im Mandatsgebiet Palästina. Die Bezeichnung Palästina bezieht sich dabei explizit auf die Region und stellt keinen eigenständigen Staat dar.

Zunächst wurde der Zionismus nur durch eine Minderheit der Jüdinnen und Juden befürwortet. Die moderne jüdische Einwanderung nach Eretz Israel verlief in mehreren Schüben und nahm mit der Zeit zu. Sie begann mit der ersten Alija zwischen 1892 und 1903 und dauert bis in die Gegenwart an. In der arabischen Bevölkerung Palästinas verbreiteten sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts der Wunsch nach Unabhängigkeit von Großbritannien und das Begehren eines eigenen Staats. Die zunehmende jüdische Einwanderung sowie die zionistischen Landkäufe stießen unter den Araber*innen zunehmend auf Ablehnung. Die Angst, zu einer Minderheit in einem jüdischen Staat zu werden, spielte hierbei eine wichtige Rolle, obwohl auch 1947 (kurz vor der israelischen Staatsgründung) noch 2/3 der Bevölkerung des Mandatsgebiets arabisch war. 3 Bereits ab dem Jahr 1920/21 gab es Ausschreitungen der arabischen Bevölkerung gegen Jüdinnen und Juden in dem damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina. Diese richteten sich auch gegen alteingesessene jüdische Gemeinden, nicht nur gegen die zionistischen Einwanderer*innen. Die Lage eskalierte während des bewaffneten arabischen Aufstands 1936 bis 1939, der sich gegen Jüdinnen und Juden und die britische Mandatsmacht richtete. Dabei setzte sich eine radikale und unversöhnliche Fraktion unter den Araber*innen durch und schaltete abweichende, eher pragmatisch ausgerichtete arabische Kräfte aus. Unter anderem dieser Aufstand führte dazu, dass die britische Regierung die legale Einwanderung von Jüdinnen und Juden in das Mandatsgebiet durch das sogenannte White Paper im Jahre 1939 drastisch – auf 75.000 Menschen in den nächsten fünf Jahren – einschränkte. Die meisten Jüdinnen und Juden kamen nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten in Deutschland und der damit beginnenden Judenverfolgung im Jahre 1933 ins britische Mandatsgebiet Palästina. Ab 1939 musste dies aufgrund der oben genannten Einwanderungsbeschränkungen z.T. illegal geschehen. Für viele Jüdinnen und Juden bedeutete dies, dass eine Flucht vor dem nationalsozialistischen Regime deutlich erschwert oder unmöglich wurde. Im Jahr 1947 beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Teilung des britischen Mandatsgebiets Palästina, um die Gründung eines jüdischen und eines arabischen Staates zu ermöglichen. Die jüdische Seite stimmte diesem Plan zu, während er auf arabischer Seite abgelehnt wurde. 1948 schließlich endete die Mandatszeit Großbritanniens und der Staat Israel wurde am 14. Mai 1948 durch den ersten Regierungschef David Ben Gurion ausgerufen.

Demografie und Gesellschaft

Israel hat über 9,25 Mio. Staatsbürger*innen (Stand: Oktober 2019). 4 Davon sind ca. 74% Jüdinnen und Juden (im ethnisch-nationalen Sinn), 21% nicht-jüdische Araber*innen und 4% gehören anderen Gruppen an, z.B. Drus*innen, Bahai, nichtarabische Christ*innen etc.

Israel ist eine Einwanderungsgesellschaft: Nach dem Ende der Shoah nahm Israel jüdische Überlebende aus Europa, sowie vertriebene Jüdinnen und Juden aus den Maghrebstaaten sowie arabischen Ländern des Nahen Ostens auf, in denen auch nach 1945 und vor allem nach der Staatsgründung Israels schreckliche Pogrome entfachten. Im Zuge massiver politischer Repressalien und einer zunehmenden Gefahrenlage, wanderten beispielsweise irakische Jüdinnen und Juden nach Israel aus, obwohl es im Irak seit 2.500 Jahren ein jüdisches kulturelles Zentrum gegeben hatte. Von den mehr als 250.000 Jüdinnen und Juden, die dort vor 1948 lebten, waren im Jahre 2018 weniger als 10 übriggeblieben. 5 Außerdem kamen Einwanderer*innen nach 1989 aus der ehemaligen UdSSR. Hinzu kamen bereits in den 1980ern Jüdinnen und Juden aus Äthiopien sowie in den letzten Jahren verstärkt aus Frankreich. Alle Jüdinnen und Juden sowie die Kinder und Enkel*innen von Jüdinnen und Juden haben das Recht, nach Israel einzuwandern und die Staatsbürgerschaft zu erhalten. Der Historiker Michael Brenner schreibt, der Zionismus wurde deswegen „nach der Katastrophe des europäischen Judentums für nahezu alle [Jüdinnen und] Juden zum Symbol der Hoffnung auf ein Weiterleben.“ 6

In Israel gibt es wegen der unterschiedlichen ethnischen, kulturellen, politischen und religiösen Hintergründe eine einzigartige gesellschaftliche Heterogenität. Israel wird daher auch als Mosaik-Gesellschaft beschrieben. 7 Ein wichtiger Schritt hin zu einer einheitlichen Nationalkultur war die Revitalisierung des Hebräischen, woraus sich das gesprochene Hebräisch, genannt Ivrit entwickelt hat, und heute in Israel Amtssprache ist. Jahrhunderte lang war Hebräisch eine v.a. liturgische Sprache. Auf Elieser Ben-Jehuda (1858-1922) geht die Initiative zurück, sie auch wieder zu einer Alltagssprache der Jüdinnen und Juden zu machen. Diesen sprachlichen Prozess nennt man Revitalisierung und ist weltweit einzigartig.

In Israel liegende Stätten sind Bezugspunkte vieler Religionsgemeinschaften: Die Kotel (dt. Westmauer) in Jerusalem verweist als Überrest der historischen Tempelanlage auf den heiligsten Ort des Judentums. Der unmittelbar angrenzende Tempelberg ist ein wichtiges Heiligtum des Islam, hier liegen die Al-Aqsa-Moschee und der Felsendom. Christ*innen besuchen wiederum häufig die ebenfalls in Jerusalem liegende Grabeskirche, die den Ort der Kreuzigung Jesu markiert, sowie die Via Dolorosa. Mitglieder der Gemeinschaft der Bahai pilgern zum Schrein des Bab nach Haifa.

Selbstverständnis

Israel versteht sich als Nationalstaat des jüdischen Volkes bzw. als jüdischer Staat. Dies wird u.a. sichtbar an der Amtssprache Ivrit, der Staatsflagge, auf der der blaue Davidstern (hebr. Magen David) auf weißem Grund mit zwei blauen Streifen abgebildet ist, die wiederum auf den Tallit, den Gebetsschal, verweisen und der Nationalhymne Hatikva (dt. die Hoffnung), die von der Zionssehnsucht der Jüdinnen und Juden erzählt. Der Staat Israel ist demokratisch verfasst und garantiert gleiche Rechte für alle Staatsbürger*innen, was selbstverständlich jede Minderheit miteinbezieht, auch die arabische, die ca. 20% der Bevölkerung umfasst.

Auch wenn die zionistische Bewegung politisch und nicht religiös motiviert ist, so ist der Staat Israel jedoch nicht säkular oder gar laizistisch im radikalen Sinn einer vollständigen Trennung von Politik und Religion. Für Unternehmen gibt es z.B. Einschränkungen bzgl. der Arbeit am Shabbat (Samstag), grob vergleichbar mit Regelungen zur Sonntagsarbeit in Deutschland. In Israel existiert neben dem säkularen Schulsystem auch eines, in dem v.a. religiöse Inhalte gelehrt werden. Beide schließen mit der Berechtigung zum Hochschulzugang ab. Lange Zeit gab es für ultraorthodoxe Jüdinnen und Juden Ausnahmeregelungen bei der allgemeinen Wehrpflicht. Angelegenheiten des Personenstands (Heirat, Scheidung, Beerdigung etc.) werden in Israel durch religiöse Institutionen (rabbinische, Kirchen- und Scharia-Gerichte) geregelt. Zwar werden z.B. im Ausland geschlossene Ehen generell anerkannt (was auch für binationale, interreligiöse und säkulare Ehen sowie gleichgeschlechtliche Paare gilt), über die Einführung einer Zivilehe konnte bislang jedoch kein politischer Konsens erzielt werden.

In Israel existiert Religionsfreiheit. Andere Religionsgemeinschaften als das Judentum werden akzeptiert, unterhalten Gotteshäuser und bilden ihr Personal aus. Die individuelle Einhaltung religiöser Ge- und Verbote ist in Israel grundsätzlich Privatsache und wird durch nicht den Staat reglementiert.

Israel ist eine Demokratie. Die Institutionen des Yishuv, der jüdischen Gemeinde im Mandatsgebiet Palästina vor der Staatsgründung, waren bereits demokratisch organisiert. Es herrschen wie in anderen Demokratien Religionsfreiheit, Bewegungsfreiheit, Meinungsfreiheit, die Freiheit der Arbeitsplatzwahl usw. Die Gleichberechtigung aller Bürger*innen, unabhängig von Ethnie oder Geschlecht, wird bereits in der Unabhängigkeitserklärung von 1948 formuliert. Dies schließt ausdrücklich die arabische Minderheit ein. Daher gibt es in Israel neben jüdischen auch arabische Abgeordnete, Botschafter*innen im Ausland, Minister*innen, Richter*innen, Professor*innen, Generäl*innen usw.

Die Identität des Staates Israel bezieht sich auf zwei widersprüchliche Prinzipien: Einerseits versteht sich Israel als Nationalstaat des jüdischen Volkes, regelt Zugehörigkeit also demnach aufgrund ethnisch-religiöser Kriterien (Prinzip des Partikularismus); andererseits ist Israel ein demokratischer Staat und stützt sich also auch auf universale Prinzipien. 8 Die israelische Selbstbezeichnung als jüdisch und demokratisch führt daher zu Spannungen. Regelmäßig drehen sich gesellschaftspolitische Diskussionen darum, welcher dieser Pole im Konfliktfall höher zu bewerten sei. Dies kann auch zu juristischen Auseinandersetzungen über Gesetzesvorhaben führen. Insbesondere der Oberste Gerichtshof hat in mehreren Urteilen die universalistischen Werte Israels betont.

Politisches System

Israel ist eine parlamentarische Demokratie. Das Staatsvolk wählt regulär alle vier Jahre Abgeordnete für das Parlament (die Knesset). Dieses wählt sowohl die Regierung als auch den*die Staatspräsident*in. Letztere*r ist das Staatsoberhaupt und übt v.a. repräsentative Funktionen aus, vergleichbar mit der*dem deutschen Bundespräsident*in.

Wie in anderen Demokratien sind die drei Staatsgewalten (gesetzgebend, ausführend und rechtsprechend) institutionell getrennt. Der Exekutiven kommen vergleichsweise viele Kompetenzen zu. Ähnlich wie in Großbritannien und dem British Commonwealth stellt der Oberste Gerichtshof eine Besonderheit dar, der das Recht aktiv weiterentwickeln kann, falls für zu regelnde Angelegenheiten noch keine Gesetze existieren.

Israel verfügt über keine Verfassung. Die Erarbeitung einer solchen war ursprünglich geplant, es konnte jedoch kein politischer Konsens über die Inhalte erzielt werden. Dennoch sind in Israel zentrale gesellschaftliche Angelegenheiten in bislang 12 sog. Grundgesetzen geregelt, die v.a. Aufgaben der Staatsorgane und auch Grundrechte benennen und durch das Parlament verabschiedet wurden.

In der Knesset sind Listen vertreten, die mehr als 3,25% der abgegebenen Stimmen gewinnen konnten. Diese Grenze war lange Zeit noch niedriger, was dazu führte, dass eine relative große Zahl an Parteien im Parlament vertreten ist und bisher jede Regierung aus einer Koalition mehrerer Parteien bestand. In der Knesset vertreten neben jüdischen auch arabische Abgeordnete die Interessen der Bevölkerung.

Israels Hauptstadt ist Jerusalem. Die Stadt war nach dem ersten israelisch-arabischen Krieg (1948/1949) geteilt, wobei Jordanien bis 1967 den Ostteil kontrollierte. Dieses Gebiet, das auch die in der Altstadt liegende Kotel einschließt, war in dieser Zeit für Jüdinnen und Juden nicht zugänglich, da beide Staaten formal im Kriegszustand blieben. Seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 kontrolliert Israel das gesamte Stadtgebiet Jerusalems. Das Tempelbergareal wird von der jordanischen islamischen Waqf-Behörde verwaltet. Allen Religionen wird der Zugang zu ihren Heiligtümern gewährleistet.

Wirtschaft

Die Berichterstattung über Israel fokussiert oftmals auf Kriege und militärische Auseinandersetzungen. Wenig bekannt ist dagegen z.B. der in Israel grundsätzlich sehr hohe Lebensstandard und die Leistungsfähigkeit der israelischen Wirtschaft. Auf dem Human Development Index der UN belegte Israel 2019 Rang 22. 9 Der Lebenszufriedenheits-Index der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der Israel als Partnerland verbunden ist, bescheinigt Israel den Rang 11 mit einem Wert von 7,2 von 10 möglichen Punkten. 10 Dies liegt deutlich über dem Durchschnittswert der 40 Mitgliedsländer und sogar leicht über dem Wert der Bundesrepublik Deutschland.

Das erst 1948 gegründete Israel hat in seiner Geschichte eine rasante Entwicklung durchgemacht: Trotz widriger politischer Entwicklungen, Krisen u.a. in Form von Terrorismus und militärischer Auseinandersetzungen hat sich die Bevölkerungszahl seit der Gründung mehr als verzehnfacht. Auch die wirtschaftliche Leistung ist beachtlich, obwohl das Land lange stark landwirtschaftlich geprägt war und zu einem großen Teil aus Wüste besteht. International ist Israel insbesondere als Standort von Firmen der High-Tech-Branche gefragt. Die israelische Wirtschaft gilt als besonders innovativ, das Hochschulsystem als sehr leistungsfähig. So verfügen Israelis im internationalen Vergleich besonders oft über tertiäre Bildungsabschlüsse, beim Verhältnis der Bevölkerungsgröße und der Zahl von Fachveröffentlichungen erreicht Israel international Spitzenwerte. Weltweit bekannt wurden beispielsweise Erfindungen wie die Tröpfchenbewässerung im Landwirtschaftsbereich, das militärische Verteidigungssystem Iron Dome (dt. Eisenkuppel) gegen Raketenbeschuss, Methoden zur Entsalzung von Meereswasser sowie Technologie für den USB-Standard und Notebookprozessoren.

Da es keine umfangreichen staatlichen Sozialleistungen in Israel gibt, stellen insbesondere die wachsende soziale Ungleichheit und die steigenden Lebenshaltungskosten (Konsum, Wohnung etc.) Herausforderungen dar. Vor diesem Hintergrund entstand eine der zivilgesellschaftlichen Protestbewegungen in Israel im Jahr 2011, an der sich v.a. junge Menschen beteiligten.

Der israelisch-arabische Konflikt

Das Thema, das die Aufmerksamkeit für Israel stark dominiert, ist seine Rolle im sog. Nahostkonflikt, der auch israelisch-arabischer Konflikt genannt wird. Kern des nach wie vor ungelösten Konfliktes sind Gebiets- und Sicherheitsfragen. Seit der Staatsgründung im Jahr 1948 musste Israel sein Existenzrecht in mehreren Kriegen verteidigen.

Seit 1949 ist Israel Mitglied der Vereinten Nationen (VN). Die Existenz des Staates Israel ist dennoch stark umstritten: Viele Staaten unterhalten bewusst keinerlei diplomatische Beziehungen zu Israel, einige boykottieren das Land vollständig und verweigern sogar allen Israelis die Einreise. 1975 beschloss die Generalversammlung der VN auf Initiative arabischer Staaten sowie insbesondere Somalias und Ugandas gar eine Resolution, die den Zionismus mit Rassismus gleichsetzte und auf eine Stufe mit dem Apartheidregime in Südafrika stellte. 11 Diese Resolution wurde im Jahre 1991 wieder aufgehoben. VN-Generalsekretär Kofi Annan bezeichnete 1998 die ursprüngliche Verabschiedung der Resolution als den „Tiefpunkt“ in der Geschichte der VN.

Der Yishuv, die jüdische Gemeinschaft in Palästina, wurde bereits seit 1945 durch die Arabische Liga, den Zusammenschluss der arabischen Staaten, boykottiert. Unmittelbar nach der Staatsgründung Israels 1948 griffen die arabischen Staaten Israel an, es kam zum Krieg, den Israel jedoch zur Überraschung vieler Beobachter*innen gewann (→ Unabhängigkeitskrieg). Daraufhin kam es zu Fluchtbewegungen und Vertreibungen von Araber*innen aus dem heutigen israelischen Staatsgebiet, vor und während der Staatsgründung. Gleichzeitig kam es zu massiven Vertreibungen und Migrationsbewegungen von Jüdinnen und Juden in der arabischen Welt. 12

Auch im Sechs-Tage-Krieg von 1967 konnte sich Israel militärisch gegen die arabischen Staaten behaupten und erlangte die Kontrolle über den zuvor von Ägypten kontrollierten Gazastreifen sowie die ägyptische Sinai-Halbinsel, die syrischen Golanhöhen, Ostjerusalem sowie die seit 1948 jordanische Westbank. Israel hat einige dieser Gebiete (Gazastreifen, Sinai) seitdem für das Prinzip „Land für Frieden“ geräumt: Trotz der anfänglichen Politik der Arabischen Liga, mit Israel weder zu verhandeln noch Frieden zu schließen, konnte Israel bislang Friedensabkommen mit Ägypten (1979), Jordanien (1994), den Arabischen Emiraten und Bahrain (2020) erreichen, ein weiteres Abkommen zur Normalisierung der diplomatischen Beziehungen mit Marokko ist geplant. Offen oder verdeckt unterhält Israel heute diplomatische Beziehungen zu vielen arabischen Staaten.

Der Konflikt um die oft als besetzt, in Israel auch als umstritten bezeichneten Gebiete bezieht sich heute im Wesentlichen auf die Westbank. 1987 begann die erste Intifada (dt. Abschütteln), ein Aufbegehren der Palästinenser*innen, die in der Westbank und dem Gazastreifen seit damals 20 Jahren unter israelischer Militärverwaltung ohne politische Selbstbestimmung und unter schlechten Lebensbedingungen lebten. Durch Demonstrationen, Boykotte, Blockaden, aber auch bewaffnete Angriffe stieg der Druck auf die israelische Politik, eine Lösung zu finden. Vor diesem Hintergrund näherten sich die israelische Regierung unter Yitzhak Rabin und die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) – die zuvor radikal antizionistisch auftrat und Terror befürwortete – unter der Führung von Yassir Arafat einander an und nahmen Verhandlungen über ein umfassendes Friedensabkommen auf, das den Abzug der israelischen Armee und die Etablierung eines souveränen palästinensischen Staats und gleichzeitig Bestimmungen zur Garantie der Sicherheit Israels beinhalten sollte. Für ihre Politik der Annäherung im sog. Oslo-Friedensprozess erhielten Yitzhak Rabin und Yassir Arafat zusammen mit dem damaligen israelischen Außenminister Shimon Peres im Jahr 1994 den Friedensnobelpreis.

Nach dem Teilabzug der israelischen Armee aus den umstrittenen Gebieten entstand durch eine Kooperation Israels mit der PLO im Jahr 1994 eine Palästinensische Selbstverwaltung (institutionalisiert in Form der Palästinensischen Autonomiebehörde, PA), inkl. palästinensischer Kontrolle über ein eigenes Schulwesen, Gerichtsbarkeit, der Einrichtung einer Polizei usw.

Die Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) sollte ursprünglich einen Zwischenschritt darstellen auf dem Weg zu einem eigenständigen Staat Palästina. In den 1990ern hatten Israelis und Palästinenser*innen während der israelisch-palästinensische Friedensverhandlungen Hoffnungen auf eine Einigung, gleichzeitig erstarkten auf beiden Seiten jedoch politische Lager, die diese ablehnten. Auf palästinensischer Seite gewann insbesondere die islamistische und antisemitische Hamas an Einfluss, die einen Frieden mit Israel radikal ablehnt und von der EU, den USA, Ägypten und weiteren Staaten als terroristische Vereinigung eingestuft wird. In Israel vertiefte sich die Krise der politischen Milieus, die die Friedensverhandlungen unterstützten, nachdem ein israelischer Extremist den Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin am 4. November 1995 bei einem öffentlichen Auftritt ermordete. Zunächst wurde dennoch weiter verhandelt und es konnten verschiedene Abkommen zwischen Israel und der PLO geschlossen werden. Die Hauptverhandlungspunkte für eine umfassende Friedenslösung waren der Status Jerusalems (das beide Seiten als jeweilige Hauptstadt beanspruchten), die Frage der Grenzziehung zwischen Israel und Palästina (und damit verbunden, wie groß das Territorium des palästinensische Staates sein wird) sowie der Umgang Israels mit den palästinensischen Flüchtlingen von 1948 und 1967. Trotz eines aus israelischer Sicht sehr weitgehenden Angebots schlug die PLO-Führung dieses letztlich aus. Insbesondere das Bestehen auf ein umfassendes Rückkehrrecht für alle palästinensischen Flüchtlinge, zu denen auch alle Nachkommen der 1948 und 1967 Geflohenen und Vertriebenen zählen, erschien allen bisherigen israelischen Regierungen für unmöglich. Während und nach den gescheiterten Friedensverhandlungen wurde Israel im Verlauf der zweiten Intifada (2000-2005) zur Zielscheibe einer langen Reihe an Terroranschlägen und Selbstmordattentaten, denen vor allem Zivilist*innen im Kernland Israels zum Opfer fielen. Das zivile Leben in Israel wurde durch die anhaltenden Terrorakte, die zum Teil durch die PA unterstützt wurden, massiv eingeschränkt. Gleichzeitig eskalierte die Situation auch in der Westbank: Während die israelische Armee versuchte, die Verantwortlichen für die Anschläge ausfindig zu machen, wurde sie in Kämpfe mit Zivilist*innen und auch bewaffneten Gruppen verwickelt, die auf beiden Seiten zu Opfern führten.

Eine Beruhigung setzte ein, nachdem Israel begann eine Sperranlage zu errichten, die das Kernland und israelische Siedlungen von den übrigen Gebieten trennt, in denen Palästinenser*innen leben. Die Sperranlage kann von Palästinenser*innen aus dem Westjordanland durchquert werden, z.B. um zum Arbeitsplatz in Israel zu gelangen. Dies ist jedoch seitdem nur noch durch Sicherheitsschleusen möglich. Der Oberste Gerichtshof Israels betonte, dass die Sperranlage keine zukünftige Staatsgrenze Israels und Palästinas vorwegnimmt. Der Bau der Sperranlage hat zu einem deutlichen Rückgang schwerer Terroranschläge auf israelischem Gebiet geführt.

Aus dem Gazastreifen zog sich die israelische Armee im Jahr 2005 vollständig zurück, sämtliche israelischen Siedlungen dort wurden, unter Protest der Bewohner*innen, dabei aufgegeben. Im Gazastreifen putschte sich die Hamas 2007 an die Macht, seitdem besteht faktisch auch zwischen den palästinensischen Führungen im Gazastreifen und in der Westbank eine politische Spaltung. Von der Hamas, anderen radikalen Gruppierungen wie dem Islamischen Dschihad in Palästina oder der ebenfalls von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften PFLP („Popular Front for the Liberation of Palestine“), geht regelmäßig Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen auf israelisches Gebiet aus, hinzu kommen Infiltrationsversuche palästinensischer Terrorist*innen durch Tunnel unter der Sperranlage mit dem Ziel, Israelis zu entführen oder zu ermorden. Die gegenwärtige Situation ist geprägt von einer dauerhaften Spannung und regelmäßigen militärischen Auseinandersetzungen, vor allem zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen.

Zu einer Einigung über einen umfassenden Friedensvertrag und der Gründung eines eigenständigen palästinensischen Staates ist es bis heute noch nicht gekommen.

Ausgewählte Literatur über Israel (Einstiege und Überblicke)

  • Balke, Ralf (2013): Israel. Geschichte, Politik, Kultur. München.
  • Brenner, Michael (2017): Israel. Traum und Wirklichkeit des jüdischen Staates. Von Theodor Herzl bis heute. München.
  • Brenner, Michael (2008): Geschichte des Zionismus. München.
  • Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) (2018): Israel. Informationen zur politischen Bildung, Nr. 336. Online verfügbar unter: http://www.bpb.de/shop/zeitschriften/informationen-zur-politischen-bildung/268931/israel, zuletzt geprüft am 20.5.2020.
  • Dachs, Gisela (2016): Israel kurzgefasst. Bonn. Online verfügbar unter: https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/bpb_israel_kurzgefasst_aufl2_2016_barrierefrei.pdf, zuletzt geprüft am 20.5.2020.
  • Dachs, Gisela (Hrsg.) (2016): Länderbericht Israel. Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 10000. Bonn
  • Schliwski, Carsten (2018): Geschichte des Staates Israel. Ditzingen. Sonderausgabe für die Landeszentralen für politische Bildung.
  • Sznaider, Natan (2019): Gesellschaften in Israel. Eine Einführung in zehn Bildern. Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 10274. Bonn.
  • Wolfssohn, Michael/Grill, Tobias (2016): Israel. Geschichte, Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. Berlin.